Ansprache zur Eröffnung
Es gibt eine Aussage von Johannes Kepler, wonach es in der Forschung nicht nur auf das Beobachten, Messen und Rechnen ankommt, sondern dass es auch das Feuer in der Seele braucht – also die Imagination, die Vorstellungskraft, die Neugierde und das Denken in Zusammenhängen. Dieses Feuer suchen wir im allgemeinen auch in künstlerischem Arbeiten; insofern scheint es eine gemeinsame DNA in Kunst und Wissenschaft zu geben, selbst wenn sich Ziele und Ergebnisse unterscheiden. Diese Ausstellung geht also der Frage nach, auf welche Art und Weise die Kunst auf wissenschaftliche Erkenntnisse reagiert, wie sie diese vereinnahmt und in eigenständige originäre Werke fließen lässt.
Dabei betreibt die Kunst keine Wissenschaftlhuberei – wie Karl Kraus das genannt hätte –, sondern lässt sich gerne inspirieren und befruchten von naturwissenschaftlichen Ergründungen und technischen Möglichkeiten, was oft zu überraschenden spielerischen, humorvollen, manchmal auch absurd anmutenden Ergebnissen führt. Ob eine Befruchtung auch vice versa stattfindet, ist mir nicht bekannt geworden – aber immerhin hatte sich Kepler von Harmoniegesetzen in der Musik inspirieren lassen.
Wenn wir hier Johannes Kepler zu seinem 450. Geburtstag eine etwas ungewöhnliche Referenz in Form einer Kunstausstellung erweisen, schwebt doch sein universeller Geist über der gesamten Schau. Sie finden zwischen den Kunstwerken immer wieder assoziativ Zitate von ihm und auch von anderen wie zum Beispiel Albert Einstein oder Werner Heisenberg.
Die Ausstellung ist in vier Szenarien strukturiert, die ich in gebotener Kürze vorstellen möchte:
Ausgehend vom Keplerschen „Weltgeheimnis“ richtet die erste Szene den Blick ins Weltall. Das Weltmodell wird mit einem Hologramm interpretiert, das die damals bekannten Planeten als Platonische Körper in ihrer Umlaufbahn um die Sonne zeigt. – Platonische Körper erzeugt daneben auch der filigrane Apparat von Attila Csörgö; und ein anderer Apparat von Sigmar Polke führt ironisch vor Augen, wie eine Kartoffel eine andere Kartoffel umkreist. – Monica LoCascio imaginiert einen kürzlich per Radiodaten entdeckten Superhaufen, der 5 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt ist. – Weiters sehen Sie von Ralf Baecker den Rechnenden Raum, dessen unermüdliche Tätigkeit zu keinem nachvollziehbaren Resultat kommt. – Die narrativen Skulpturen Planetothek, Planetomat und das EGOzentrische Weltbild von Wendelin Pressl spielen mit unserer Wahrnehmung – und Helga Griffiths stellt eine duftende Assoziation über Dunkle Materie vor, inspiriert vom unsichtbaren Planeten Nr. 9. – Dann erzählt uns noch der Physiker Werner Gruber, was an der Heisenbergschen Weltformel nicht stimmte und welchen Nutzen eine solche Formel überhaupt hätte.
Die zweite Szene handelt von Wurmlöchern und Zeitmaschinen, mit deren Theorie sich schon 1935 Albert Einstein und Nathan Rosen befassten. Obwohl das interstellarische Reisen und die Krümmung der Raumzeit in der Praxis mangels erforderlicher Energie unmöglich ist, wurden erst 2008 diverse Forschungsprojekte eingestellt. Nur in den Fantasiewelten der Science Fiction leben sie weiter. Sie haben die Möglichkeit, den kompletten Film „Die Zeitmaschine“ von George Pal nach dem Roman „The Time Machine“ von Herbert George Wells zu sehen, der 10 Jahre vor Einsteins Theorie geschrieben wurde. Auf den Film reagiert die Künstlerin Ann Lislegaard mit der Projektion eines computergenerierten Fuchses, der aus der Zukunft Geschichten über die Morlocks und Eluis erzählt. – Dazu führt Bertrand Lamarche ein anschauliches Wurmloch mit Sogwirkung als künstlerisches Objekt vor; ein schwarzes Loch in unaufhörlicher Bewegung.
Die dritte Szene hat den Titel „Welten in Welten in Welten“ (den ich von Gottfried Wilhelm Leibniz geklaut habe) die mit Beispielen aus der mikroskopischen Optik als Überleitung in die letzte Abteilung gedacht ist, womit sich der Blick vom Weltall umwendet in den inneren Kosmos der Natur. Sie sehen das erste Mikroskop des Antoni van Leeuwenhoek um 1668, ein ganz kleines Ding, das immerhin eine 250-fache Vergrößerung ermöglicht. Der Schauspieler Martin Brunnemann vom Theater Phönix trägt den Kampf der beiden Mikroskopisten Leeuwenhoek und Swammerdam aus der Erzählung „Meister Floh“ von E.T.A. Hoffmann vor, wo schon Virtual Reality und Nanotechnik literarisch vorweggenommen werden. Daneben ist ein modernes Rastertunnelmikroskop zu sehen, das Einsicht in den Nanobereich der Moleküle und Atome erlaubt. – Als künstlerischen Beitrag präsentieren Christa Sommerer und Laurent Mignonneau ihre interaktive Installation Anthroposcope, in dem künstliche Kreaturen mittels Pulsschlag erzeugt, bewegt und manipuliert werden können.
„Dialog mit der Natur“ ist die letzte Szene benannt, die mit einer Beschreibung von Keplers Abhandlung „Vom sechseckigen Schnee“ eingeleitet wird, womit er sich als einer der ersten Bioniker erweist, indem er mathematische Gesetzmäßigkeiten in Schneekristallen, Bienenwaben oder Erbsenschoten sucht. Die künstlerischen Arbeiten im großen Saal setzen sich mit Biotechnik auseinander, mit Phänomenen chemischer und biologischer Prozesse. – Mit seinen Apparaturen verwandelt Thomas Feuerstein Grünalgen zu Kohle, in einem Prozess, für den die Natur tausende Jahre benötigt; diese Kohle verwendet er dann zum Zeichnen. – Heather Barnett präsentiert ihre Arbeit mit dem Schleimpilz Physarum polycephalum, der eigentlich kein richtiges Lebewesen ist und weder über ein Gehirn oder ein Nervensystem verfügt, aber dennoch auf Futtersuche präzise seinen Weg durch ein Labyrinth findet. – Pinar Yoldas ist Neurowissenschaftlerin und Künstlerin, die mit ihrem Ecosystem of Excess neue, symbiotische Lebensformen imaginiert, die aus Plastikschlamm in den Ozeanen entstehen. – Imaginäre pseudo-biologische Spezies und hybride Organismen kreiert auch Laurent Lamarche als leuchtende Objekte. – Verena Friedrich hat für ihre Arbeit The Long Now einen Apparat entwickelt, der eine Seifenblase erzeugt und sie in einer Kammer mit kontrollierter Atmosphäre so lange wie möglich in Suspension hält. – Schließlich zeigt Dominique Koch mit Dead Immortal Jelly Fish die Qualle Turritopsis dohrnii, die das Potenzial der Unsterblichkeit in sich trägt, womit sie sich mindestens zwölf mal komplett verjüngt. Vielleicht gelingt der Forschung eines Tages, das Unsterblichkeits-Gen in den menschlichen Körper zu implantieren, womit wir etwa tausend Jahre alt werden könnten. Allerdings müssten wir jedes mal ganz von vorne als Baby anfangen.
Soweit die inhaltliche Kurzbeschreibung – den visuellen Eindruck dazu und ausführlichere Beschreibungen bekommen Sie ja in der Ausstellung.
Zuletzt möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Alfred Weidinger und Frau Isolde Perndl bedanken – nicht nur für die Möglichkeit, diese Ausstellung zu gestalten, sondern auch für das Vertrauen und die Ermöglichung eines erweiternden – sehr erweiternden – ausufernden Begleitbuches in Form einer Sammlung zur Kultur- und Kunstgeschichte der Apparate. Dieses Maschinenbuch ist für alle, die die angesprochenen Themen der Ausstellung vertiefen möchten.
Mein herzlicher Dank gilt den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern* sowie den Leihgebern.
Dank auch an die ERES-Stiftung München, die im Herbst einen Teil der Ausstellung übernehmen wird.
Dem gesamten fabelhaften Aufbau-Team der Landeskultur GmbH möchte ich meinen Dank aussprechen – ich finde es gehört sich, ihre Namen auszusprechen: Felix Pöchhacker, Jarno Bachheimer, Bernhard Kitzmüller, Andre Tschinder, Simon Wilhelm, Gerhard Wörnhörer, Betty Wimmer, Jan Phillip Ley – Und ganz besonders auch an an Michaela Fröhlich, die sich engagiert um alle – teils nicht ganz unkomplizierten – Belange souverän gekümmert hat.
Und Ihnen danke ich für die freundliche Aufmerksamkeit.